Mit zwei Goldmedaillen im Einzel und Doppel Wettbewerb kehrte unsere Spitzenspielerin Petrissa Solja von den Europameisterschaften aus Warschau/Polen zurück.
Herzlichen Glückwunsch Peti, zu den zwei Titeln bei den Europameisterschaften. Beschreibe uns doch einmal deine aktuelle Gefühlslage ?
Es sind jetzt mittlerweile fast zwei Tage vergangen und ich muss sagen, ich habe immer noch nicht so richtig realisiert, was da eigentlich in den letzten Tagen passiert ist. Ich bin unfassbar glücklich, mich nun endlich Europa-Meisterin im Einzel nennen zu dürfen. Natürlich freue ich mich auch über den Titel im Doppel mit Nana (Anm. Redaktion: Xiaona Shan) sehr. Diese Europameisterschaften waren für uns als Deutsche, insbesondere für mich, wirklich ein herausragendes Turnier. Meine Gefühle sind ein Wechselbad zwischen Freude, Glück, Tränen, Erschöpfung und wieder Freude
Konnte der Erfolg denn auch schon gefeiert werden ?
Im Rahmen der Möglichkeiten natürlich und im Einklang mit den Richtlinien der Corona-Regeln. Wir waren das ganze Turnier über in einer sogenannten Bubble und konnten auch nicht weggehen zum feiern. Wir hatten ein tolles Manschaftsessen mit allen deutschen Spielern, Trainern und Betreuern. Dabei ist das ein oder andere Kaltgetränk geflossen, aber alles ganz gemütlich. Um 4 Uhr nachts wurden wir dann direkt abgeholt um nach Hause zu fliegen. Es war stressig, aber ein toller Ausklang. Richtig feiern konnten wir nicht, aber das hole ich dann in Langstadt nach.
Zum Turnier selbst: Hattest du im Laufe des Turniers denn schon gespürt, dass es mit dem ganz großen Wurf klappen kann und du Titel holen kannst ? Wenn ja, wann war dieser Zeitpunkt ?
Puh, ich habe Spiel für Spiel genommen und mich nicht mit Dingen beschäftigt, die ich nicht beeinflussen kann. Beispielsweise habe ich nicht geschaut, gegen wenn ich kommen könnte in der übernachsten Runde. Ich habe mich immer voll auf das anstehende Spiel versucht zu fokussieren. Ich weiss was ich kann und ich habe viele Situationen mittlerweile auch schon durchlebt, sowohl positive, als auch negative. Von daher weiss ich, dass ein Spiel erst vorbei ist, wenn man 3 oder 4 Sätze mit 11 Punkten, oder jeweils 2 Punkten Abstand gewinnt. Gerade im Spiel gegen die Polin Bajor hatte ich trotz der Matchbälle gegen mich, immer an mich geglaubt und gewusst, dass ich dieses Spiel gewinnen werde. (Das lässt sich jetzt natürlich im Nachhinein gut sagen). Auch gegen Fu Yu hatte ich im Gefühl, dass es dieses Mal soweit sein wird, dass ich sie bei einem großen Turnier schlagen werde. Die Spiele sind immer eng zwischen uns, und jedesmal mit dem besseren Ende für Sie. Aber nicht bei dieser Europameisterschaft habe ich mir gesagt. Ich habe mich wirklich von Spiel zu Spiel in dieses Turnier reingekämpft und bin jetzt einfach nur glücklich über das Ergebnis.
Gegen die Polin Bajor musstest du im Achtelfinale 2 Matchbälle abwehren. Kann man dieses Spiel im Nachhinein als besonders wichtig auf dem Weg zum Titel bezeichnen ?
Auf jeden Fall. Wir hatten zuvor noch nie gegeneinander gespielt und sie hatte bis dahin ein wirklich sehr gutes Turnier gespielt. Ich habe mich auch in diese Partie reingekämpft und an mich geglaubt. Das war wirklich sehr knapp. Gerade wenn man enge Spiele gewinnt, gibt das natürlich Selbstvertrauen für die kommenden Partien. Bei dieser EM hatte ich einige umkämpfte, enge Spiele…
Im Finale gegen seine Doppelpartnerin zu spielen mit der man 1 Stunde zuvor bereits Europameisterin wurde, ist sicher auch eine aussergewöhnliche Situation. Wie bist du damit umgegangen ?
Ja, ich glaube das gibt es tatsächlich nur im Tischtennis… Ich kenne sonst keine Sportart oder einen Sportler, der innerhalb einer Stunde um 2 Medaillen spielt und das einmal mit seinem Doppel-Partner und direkt danach gegen ihn. Das ist schon wirklich ein komisches Gefühl. Allerdings ist es ja für mich als Tischtennissportlerin nichts Neues, dass die Teamkameraden, auch gleichzeitig Gegner im Laufe eines Turniers sein können. Nana und ich kennen uns schon sehr lange. Sowohl als Mannschaftskammeraden im Verein und der Nationalmannschaft, als auch als Gegnerinnen international oder in der Bundesliga. Wir können beide damit gut umgehen und freuen uns gegenseitig für den anderen.
Shan kennst du ja aus den Begegnungen in der Bundesliga gegen Berlin sehr gut. Hattest du dir gegen sie eine besondere Taktik zurecht gelegt ?
Die direkte Bilanz war klar für Nana. Sie hatte die letzten Spiele gegen mich fast immer gewonnen. Ich habe mir dieses Mal eine andere Taktik überlegt und sie mehr angreifen lassen. Damit scheint sie so nicht gerechnet zu haben und ich konnte den Vorteil für mich nutzen.
In der Doppelkonkurrenz wurdet ihr zum erweiterten Favoritenkreis gezählt. Spürt man diesen Erwartungsdruck dann im Wettkampf oder seid ihr damit locker zurecht gekommen ?
Ja, den Erwartungsdruck spürt man ganz sicher, nicht nur weil der Verband oder die Trainer Erwartungen haben, sondern vor allem der Druck von einem selbst kommt. Wenn man nicht gewinnen möchte, dann wird man kein Profi-Sportler. Generell spielt es sich befreiter aus der Position des Underdogs. Aber am Ende des Tages zählt nur die Performance am Tisch und am Ende zwei Punkte mehr zu haben als der Gegenüber.
Mit der Olympiade in 4 Wochen steht das größte Highlight des Jahres noch bevor. Fällt die Motivation nach so einem tollen Erfolg jetzt schwerer oder beflügelt dich das sogar jetzt auch bei Olympia an die Erfolge anzuknüpfen?
Das war natürlich ein toller „Test“ um nach der langen Pause den eigenen Stellenwert in der direkten, europäischen Konkurrenz zu erfahren. Wobei das Wort Test für eine Europameisterschaft nicht korrekt ist. Aber ich weiss jetzt, dass ich in den letzten Monaten für mich richtig trainiert habe und mittlerweile ganz genau weiss, was mir gut tut und was ich brauche um besser zu werden. Man darf jetzt aber auch nicht übermütig werden. Die EM war super und ich zehre bestimmt noch lange von den tollen Momenten. Jetzt gönne ich mir ein paar Tage Pause und Ruhe um meine Energie etwas aufzutanken und dann gehen ab Ende dieser Woche die Vorbereitungen für die olympischen Spiele weiter.
Die Fans in Langstadt freuen sich riesig, dass in der neuen Saison die amtierende Europameisterin in der heimischen Eckehard-Colmar-Halle aufschlägt.Was erwartest du von der kommenden Saison vom TSV ?
Das ist schön zu wissen, dass die Längschder sich auf mich freuen. Aber ich kann dir versichern, ich freue mich mindestens genauso auf die Langstädter Fans. Es haben mich so viele Glückwünsche und Grußbotschaften aus Langstadt erreicht. Das tut so gut zu lesen und zu wissen, wie jeder zu Hause vor dem Bildschirm mitfiebert. Auch wenn keine Zuschauer in der Halle vor Ort waren, diese Nachrichten geben tatsächlich Energie! Vielen Dank hierfür an alle! Ich bin richtig glücklich, Teil der TSV Familie zu sein. Und es ist schön, wie wir uns Jahr für Jahr als Mannschaft weiterentwickeln und Stück für Stück den ganz großen Teams der Bundesliga näher kommen.
Eine Prognose für die kommende Saison abzugeben fällt mir schwer. Wir haben eine super Truppe und die lautstärksten Fans der Liga! Ich formuliere es mal so: Wer Meister werden will, muss am TSV vorbei!
Vielen Dank für das Exclusiv-Interview und nochmals ganz herzlichen Glückwunsch zur zweifachen Europameisterin!