Von Nils Torben Keune
Marlene Reeg und Yannik Rüddenklau überstrahlen die Deutschen Meisterschaften im Tischtennis des Behindertenverbands in Heuchelheim. Vor dem Turnier hatte der Landestrainer eine klare Zielsetzung für die hessischen Spielerinnen und Spieler herausgegeben. „Fünf Medaillen sollen es schon sein“, hatte Fabian Lenke gesagt. Nach dem Turnier konnte man beim Zählen der Medaillen durchaus durcheinander kommen. Vier Mal Gold, zwei Mal Silber und ganze sieben Mal erreichte das Team Hessen die Bronzemedaille. In dieser Statistik sind noch nicht einmal die zwei Goldmedaillen von Paralympics-Teilnehmerin Juliane Wolf einbezogen. Während ihres Masterstudiums in Gießen ging Wolf für die TSF Heuchelheim auf Punktejagd. Die heute in Frankfurt arbeitenden Dozentin für Sonderpädagogik trat für das Team des baden-württembergischen Verbands an.
In der Wettkampfklasse 9-10 wurde Marlene Reeg (TTG Büßfeld) ihrer Favoritenrolle gerecht. Im Finale gegen ihre Freundin und Doppelpartnerin Lena Kramm setzte sich die 15-jährige Schülerin mit taktisch sehr variablem Spiel durch. „Wir kennen uns in- und auswendig. Und das merkt man auch“, sagte Reek. Auch ihr Trainer Fabian Lenke war angetan von dem Auftritt seines Schützlings: „Sie hat mich im Finale besonders überzeugt. Sie hat aktiv gespielt. Sie hat den Vorhandtopspin bewusst eingesetzt. Das war nicht immer so. Insgesamt kann man sagen, dass sie ihr gesamtes Spielsystem erweitert hat.“
Grund zur Freude hatten die beiden Freundinnen einen Tag vorher im Doppel. In der Wettkampfklasse 9-AB sicherten sich Lena Kramm/Marlene Reeg (BSV München/TTG Büßfeld) den Titel vor der Gießener Konkurrenz in Person von Christine Lenke/Juliane Wolf (TSF Heuchelheim/BSG Offenburg). „Das war ein Match auf einem richtig hohen Niveau. Für mich war das aus spielerischer Sicht das Highlight des Turniers“, berichtete Organisatorin und Teilnehmerin Lenke – und schickte noch eine Kampfansage an das „junge Gemüse“: „Nächstes Jahr holen wir uns die Krone.“
Yannik Rüddenklau (TTG Büßfeld) wurde in der Wettkampfklasse 9 den Erwartungen gerecht. Im Finale schoss er Andre Kritzmann aus Solingen regelrecht von der Platte. „Heute lief es ziemlich gut. Gestern hätte es besser laufen können. Dafür, dass ich längere Zeit verletzt war, bin ich im Großen und Ganzen zufrieden“, so Rüddenklau. Damit deutet der BWL-Student aus Düsseldorf an, dass er sich im Doppel in der Wettkampfklasse 9 mehr ausgerechnet hatte. Gemeinsam mit Mateusz Krok musste sich Rüddenklau (beide TTG Büßfeld) den Siegern Daniel Neumann/Gerrit Zucker (TSV Thiede) geschlagen geben. „Yannik hat einfach eine sehr vorbildliche Einstellung. Er war lange verletzt und hat sich toll wieder herangekämpft. Er besitzt eine sehr gute Reflexion des Spiels“, lobte Trainer Lenke.
Dass Rüddenklau und Reeg richtig tolles Tischtennis in Heuchelheim ablieferten, entging auch nicht dem Bundestrainer Volker Ziegler. „Yannik und Marlene haben sich hervorragend entwickelt. Ich hoffe, dass sie ihren Weg weitergehen werden. Aber dieser Weg ist noch weit. Um Spitzenspieler zu werden, muss man viel Arbeit investieren und das ein oder andere Tief überwinden. Wir vom Verband sind absolut überzeugt davon, dass sie ihren Weg gehen werden“, so das Lob des Bundestrainers. Dementsprechend hoffnungsfroh blicken die beiden hessischen Nachwuchstalente auf die übernächsten Paralympics in Tokyo 2020. „Das ist uns großes Ziel“, sind sich die beiden einig.
Einen tollen Einstand bei den Deutschen Meisterschaften feierte Katrin Schanz in der Wettkampfklasse AB. Schanz (TTG Büßfeld) setzte sich mit ihrer Erfahrung und taktisch sehr variabel eingesetzten Rückhandflips und Schüssen im Finale mit 3:0 gegen Marina Piske (BSG Neumünster) durch. Die 25-jährige Mutter und Lehramtsstudentin war zwar überglücklich und brauchte lange, um zu begreifen, was ihr gelungen ist. Sie kündigte jedoch an, dass von ihr noch mehr zu erwarten sei: „Ich habe zwar 3:0 gewonnen. Aber die Sätze waren sehr knapp. Ich hätte bestimmt noch mehr zeigen können. Durch die Nervosität war ich aber dazu nicht in der Lage.“ Auf den Plätzen landeten Christine Lenke (TSF Heuchelheim) und Gabriele Neumann (TTG Büßfeld).
Die offene Klasse und die Wettkampfklasse 6-8 dominierte die frühere Heuchelheimerin Juliane Wolf mit ihrem bekannten Kampfgeist und variablem Spiel. Im Finale der offenen Klasse ließ Wolf (BSG Offenburg) Lena Kramm (BSV München) nicht wirklich eine Chance. Den dritten Platz teilten sich hier Christine Lenke (TSF Heuchelheim) und Marlene Reeg (TTG Büßfeld).
ABSCHLUSSFEST MIT TIL SCHWEIGER
Was für eine Leistung der TSF Heuchelheim bei der Ausrichtung der Deutschen Meisterschaften! Dem Team um Christine Lenke ist es gelungen, neue Maßstabe für das Austragen einer solchen Großveranstaltung setzen. Von der Begrüßung am Freitag bis zum Abschlussfest mit Siegerehrung im „Rustico“ am Samstagabend haben es die Organisatoren geschafft, den Sportlerinnen und Sportlern einen Rahmen zu bieten, der ihren hervorragenden Leistungen gerecht wurde. Man kennt das ja von Tischtennis-Turnieren. Es sind viele Offizielle, Organisatoren, Spieler, Betreuer und Trainer in der Halle. Fans und Schaulustige anzulocken, ist für jeden Organisator schwierig. Dem Team um Lenke ist es durch eine sehr gute Presse- und Werbeaktion gelungen, dass die Halle in Heuchelheim während der zwei Tage stets gut gefüllt war. Über 200 Zuschauer aus Heuchelheim, Gießen und dem Gießener Umland sorgten gemeinsam mit den Akteuren für eine Stimmung, die einer Deutschen Meisterschaft im Tischtennis für Behinderte absolut gerecht wurde. Die Heuchelheimer hatten an diesem Wochenende die gesamte Elite des Verbands zu Gast. Vor dem Turnier hatten sich die Verantwortlichen viele Gedanken gemacht, wie das „kleine Heuchelheim“ einem derartigen Event gerecht werden kann. Vom Catering über einen reibungslosen Ablauf bis hin zu professionellen Spielbedingungen konnte man sehen, dass alle Beteiligten der TSF an einem Strang zogen. Des Weiteren sorgten Stehtische, Bänke und Tische im Eingangsbereich für eine gesellige und fröhliche Atmosphäre auch außerhalb der Tischtennisplatte. Dementsprechend positiv viel auch das Fazit der Organisatoren aus. „Wir sind sehr zufrieden. Wir wollten einen hohen Maßstab setzen. Das haben wir geschafft. Bei ähnlichen Veranstaltungen – unabhängig von Spielern, Trainern und Betreuern – sind es normalerweise zehn Leute, die sich in die Halle verirren. An den letzten beiden Tagen hatten wir ca. 200 Zuschauer“, so Fabian Lenke. Angetan vom Organisationskonzept war auch der Bundestrainer. „Das Turnier war mit sehr viel Liebe zum Detail hervorragend ausgerichtet. Es war auf einem ganz hohen Niveau organisiert. Es war wirklich eine Deutsche Meisterschaft, die neue Maßstäbe setzen wird“, war Volker Ziegler voll des Lobes für die Veranstalter des TSF Heuchelheim. Dieses Lob darf auch auf eine angemessene Größe der Halle, die neuen Tische, die Tribüne und auch die Größe der Boxen, die für optimale Spielbedingungen sorgten, bezogen werden. Vielmehr noch war es den Organisatoren gelungen, ein Abschiedsfest zu organisieren, dass jeder deutschen Meisterschaft würdig war. Im „Turnhallen-Restaurant Rustico“ erwartete die Spieler ein festlich geschmückter Saal, in dem die Siegerehrung, eingebettet in ein tolles Rahmenprogramm, vorgenommen wurde. Bei leckerem Essen und Trinken und musikalischer Begleitung feierten sich die Spieler für ihre Leistungen und ließen es nach getaner Arbeit einfach mal krachen. Dass sich unter den Gästen auch Til Schweiger und Dragoslav Stepanovic befanden, gab dem Ganzen zusätzlich einen besonderen Reiz.
Nils Torben Keune