Von Dennis Bellof
Deutsche Pokalmeisterschaften? Viele Tischtennisinteressierte des Tischtennisbezirks Gießen werden sich angesichts dieses Artikels zu Recht fragen: „Wie ist das denn so schnell passiert?“ Denn noch vor zwei Jahren dachte kaum jemand in der Tischtennisabteilung von Grün-Weiß Gießen ernsthaft über eine neue Damenmannschaft nach. Im wöchentlichen Training schnupperten zwar hin und wieder einzelne Frauen in den ehemaligen Polizeisportverein hinein, jedoch verschwanden die Spielerinnen meist nach wenigen Trainingseinheiten ebenso schnell, wie sie gekommen waren.
Zu Jahresbeginn 2011 ergab sich dank Überzeugungsarbeit im Hochschulsportkurs Tischtennis die Möglichkeit, mit einem jungen, frisch formierten Team erstmals seit langer Zeit in der Damen-Kreisliga an den Start zu gehen. „Das Besondere an diesem Verein ist, das jeder Neuling unabhängig von seinem Spielniveau offen empfangen wird“, klärt die im hinteren Paarkreuz aktive Katharina Reimers auf, weshalb das zwischen 22 und 35 Jahre alte Team den Sprung ins kalte Wasser gerade bei den Grün-Weißen wagte.
Stiegen die Mädels vor einem Spiel mal in die falsche Buslinie und fanden sich im Launsbacher Gewerbepark wieder - Abteilungsleiter Volker Sahl oder andere Vereinsmitglieder brachten die Mannschaft rechtzeitig in die Halle und sparten niemals mit guten Tipps oder Anfeuerung - sei es persönlich oder öffentlich auf der aktiven Internetseite des Clubs.
„Nicht nur wegen dieser lockeren Atmosphäre ist GWG für mich einmalig“, resümierte Hessenmeisterin Ariane Felsch (Leistungsklasse D) kürzlich wegen ebensolcher Aktionen. Die dem Stadtrivalen freundschaftlich eng verbundenen GSV-Bezirksligacracks Alexander Psol und André Malsch halfen eifrig, das spielerisch zunächst noch unsichere Team mehr als nur kreisligatauglich zu machen: Dem knappen 8:4-Erfolg im ersten Saisonspiel gegen die erste Mannschaft des Krumbacher SC folgten 15 weitere stets ungefährdete Siege in ebenso vielen Spielen - sogar ersatzgeschwächt oder zu dritt. Eine große spielerische Entwicklung, die in der Meisterschaft und den daraus resultierenden Aufstieg in die Bezirksklasse mündete.
Das war jedoch noch nicht alles. Das Team um Spitzenspielerin Susann Holzäpfel brachte nicht nur Schwung in den Trainingsalltag des vormals von älteren Herren über 45 Jahren dominierten Clubs, sondern neben der Meisterschaft noch einen Titel. Und noch einen. Und noch einen. Dem Kreispokalsieg ließen die GWG-Damen den Bezirkspokalsieg durch ein 4:1 über den TSV Klein-Auheim folgen - die Hessenpokalqualifikation.
Zwar erreichten die Gießener dort nur den zweiten Rang, allerdings durften sie als Nachrückermannschaft nach Chemnitz fahren, um dort am vergangenen Wochenende um den Deutschlandpokal ihrer Klasse zu spielen. Untergekommen und versorgt bei Felschs Eltern, kämpften sie sich an drei Turniertagen bei zwei knappen Niederlagen gegen TTC Elbe Dresden und die DJK Stuttgart sowie einem deutlichen 4:1-Sieg über die SpVgg Riedlingen als Gruppendritter ins Viertelfinale. Dort war gegen den späteren Sieger der Damen C-Konkurrenz, dem VfL Kirchheim, erwartungsgemäß Endstation. „Wir haben alles gegeben“, postete die in Kürze für ein halbes Jahr nach China gehende „Sanny“ Holzäpfel noch aus Sachsen online an die nervös vor ihren Monitoren sitzenden Vereinskumpanen. „Mit unseren Leistungen waren wir echt zufrieden!“ Und Teamkollegin Nina Dietrich ergänzte nur wenige später: „Obwohl sportlich auf einem für uns ungewohnt hohen Niveau gespielt wurde, mussten wir uns dennoch nicht verstecken“. Außerdem betonte die Allrounderin die Fairness und sympathische Ausstrahlung jeder gegnerischen Mannschaft - ein gelungener Marathontrip also.
Und damit endet eine unglaubliche grün-weiße Debütsaison, der trotz so vieler Höhepunkte nun eine kurze Phase des Trauerns folgt, verlassen mit Holzäpfel und Reimers, die studienbedingt nach Berlin zieht, doch gleich zwei Spielerinnen das mittlerweile eng zusammengeschweißte Erfolgsteam, das auch privat einiges erlebt und unternommen hat. Immerhin steht mit Rebecka Dürr vom Gießener SV schon ein Neuzugang fest. Dürr: „Ich erhoffe mir einen guten Start mit der Mannschaft und natürlich den Klassenerhalt“, freut sich die Studentin schon jetzt auf die kommende Runde. Das eint sie mit ihrer neuen Teamkollegin Anna Hoßfeld, die versucht, aus den unvermeidlichen Abgängen etwas Positives zu ziehen. „Ohne Veränderungen gibt es keinen Fortschritt - jetzt heißt das Ziel Klassenerhalt plus XXL!“ Das kann ja was werden.
Die Ergebnisse des Deutschlandpokals und Bilder des Turniers finden Sie auf der Internetseite des Ausrichters BSC Rapid Chemnitz. Hier der Link dazu:
Rapid Chemnitz - Deutschlandpokal